Nur über die Grenzen hinaus! Deutsche Literaturwissenschaft in Kontakt mit ‘Fremdem’

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1. Gunther Gottlieb / Simon Meißner / Armin Reller (Universität Augsburg): GEISTESWISSENSCHAFTEN UND NATURWISSENSCHAFTEN. Die vier klassischen Elemente Luft, Wasser, Erde, Feuer in interdisziplinären Seminaren. Zusammenfassung: Unser Beitrag basiert auf vier interdisziplinären Seminaren und konzentriert sich auf die Elemente Erde und Wasser. Beide Elemente werden seit den Anfängen europäischen und altisraelitischen Geisteslebens in Vorstellungen und Gedankensystemen auf der Grundlage empirischer Befassung mit Mensch und Natur vereinigt. Diese Zusammenschau erscheint reizvoll, sind doch in den aktuellen Diskussionen Erde und Wasser im Zentrum von nationalen und internationalen Planungen und Bemühungen. Die geisteswissenschaftlichen Teile stellen, abgesehen von eher generalisierenden, auch Literatur und Kunst berücksichtigenden Einführungen, althistorische Texte in den Mittelpunkt, unter anderem, um den wissenschaftsgeschichtlichen Gesichtspunkt angemessen zu berücksichtigen. Dabei kommt den Erörterungen und Beschreibungen in der Naturgeschichte des älteren Plinius besondere Bedeutung zu. Zudem konnte beim Element Wasser die Deutsche Literatur durch die Mitwirkung von Prof. Dr. Jürgen Eder berücksichtigt werden. Die naturwissenschaftlichen Teile ergänzen die kulturhistorische und literarische Betrachtung um aktuelle Fragestellungen zum angemessenen Umgang mit den für das (menschliche) Leben auf diesem Planeten so essentiellen Umweltmedien Boden und Wasser. Beide Elemente rücken aufgrund ihrer Limitiertheit und der gleichzeitig wachsenden Nachfrage zunehmend in den Mittelpunkt des weltweiten Interesses und werden mehr und mehr Gegenstand konfliktträchtiger Auseinandersetzungen. Pädagogisch/didaktisch gesehen ist das zentrale Anliegen, Geistes- und Naturwissenschaften zusammenzuführen. Die Einheit der Wissenschaften ergibt sich aus einer Vielzahl von Fragestellungen, Problemen, Zugängen und Methoden. Die vier Elemente und ferner deren zukunftsfähige Nutzung können langfristig nur in der Zusammenarbeit von Natur- und Geisteswissenschaften angemessen behandelt und angegangen werden. Dies zu dokumentieren, ist ein entscheidendes Kriterium für die Interdisziplinarität des hier gewählten Ansatzes. 2. Gregor Weber (Universität Augsburg): RAOUL SCHROTT, HOMER UND DIE MEDIEN Die neue Troia-Kontroverse in kritischer Evaluierung. Zusammenfassung: Die These des österreichischen Literaturwissenschaftlers Raoul Schrott, Homer sei ein griechischer Schreiber des 7. Jh. v.Chr. in assyrischen Diensten und sein unmittelbares Vorbild für den Ort sei eine Bergfestigung in Kilikien (Südosttürkei) gewesen, hat großes Aufsehen erregt: Sie wurde erstmals in einem vierseitigen Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 22. Dezember 2007 vorgelegt ; die dazugehörigen Bücher erschienen erst Monate später, so dass sich sogleich im Feuilleton etlicher deutschsprachigen Zeitungen, in Radio- und Fernsehbeiträgen, in Fachzeitschriften und auf Tagungen eine rege Berichterstattung und Diskussion entwickelte, die bis in das Jahr 2009 andauerte. Der Beitrag zeichnet die Kontroverse mit ihren Phasen, Protagonisten und Argumenten nach ; er fragt auch, warum der Thematik eine solche Aufmerksamkeit beschieden war. Die Antwort ist vielschichtig: Zum einen stoßen Homer und Troia nach wie vor in Deutschland auf großes Interesse im Bildungsbürgertum, was auch mit Heinrich Schliemann und einer ‚Schatzgräbermentalität’ zu tun hat. Zum anderen haben die Medien einen Sachverhalt aufgegriffen, bei dem ein gebildeter Laie den Forschern im Elfenbeinturm eine (angebliche) Lösung aufzeigt, die jene nach Jahrhunderten wissenschaftlicher Arbeit nicht gefunden haben. Außerdem handelt es sich um eine so komplexe Materie, dass einzelne Bausteine auch anders kombiniert werden können. Schließlich wurde die These in den Medien in den Kontext der Auseinandersetzung um die Zugehörigkeit der Türkei zu Europa gestellt. Letztlich wird man sehen müssen, wie sich die weitere Resonanz auf die neue These entwickelt, zumal sie bislang im fremdsprachigen Ausland nicht wahrgenommen wurde. 3. Jan Čapek (Universität Pardubice) SPIELTE DER BRAVE SOLDAT SCHWEJK FUSSBALL? Fußball als Thema der deutschen und tschechischen Literatur in Prag zwischen den Weltkriegen. Zusammenfassung: Fußball ist längst nicht nur eine Sportart, sondern betrifft auf vielfältigste Weise fast alle Bereiche des Lebens, sodass man Fußball inzwischen auch als integrierenden kulturellen Faktor vieler Gesellschaften betrachten kann. Dieses Thema findet man im Theater, Film, in der Musik, in der bildenden Kunst sowie in der Werbung und natürlich auch in der Literatur. Weltbekannte Autoren wie Vladimir Nabokov, Ödön von Horváth, Friedrich Dürrenmatt oder George Orwell widmeten ihm ihre Aufmerksamkeit. Einige tschechisch oder deutsch schreibende Autoren erkennen schon Anfang des 20. Jahrhunderts in den böhmischen Ländern das riesige Potenzial dieses Spiels. Jaroslav Hašek widmet dem Fußball seine Erzählung „Freundschaftsspiel zwischen Tillingen und Höchstädt“, Eduard Bass schreibt seinen Roman „Klapperzahns Elf“, Karel Poláček schließt sich mit dem Werk „Männer im Abseits. Aus dem Leben der Klubanhänger“ an. Bei der Aufdeckung der Redl- Affäre spielt Fußball eine große Rolle auch für den „rasenden Reporter“ Egon Erwin Kisch. 4. Fernando Magallanes Latas (Universität Sevilla) Synkretismus als Form des kulturellen Wandels. Zusammenfassung: Der folgende Beitrag befasst sich mit dem Phänomen des Synkretismus, der die deutsche Literatur und Kultur des Frühmittelalters entscheidend geprägt hat. Der Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung der etymologischen Wurzeln und der verschiedenen Anwendungsgebiete des Phänomens, wobei auch einige Beispiele der deutschen Literatur des Frühmittelalters behandelt werden. 5. Sabine Schneider (Universität Zürich) SEHEN IN SUBJEKTIVER HINSICHT? Goethes aporetisches Projekt einer „Kritik der Sinne“ und seine Interferenzen zur Romantik. Zusammenfassung: Die Studie zeigt, inwiefern Goethes Projekt einer als Romantikkritik gedachten „Kritik der Sinne“ von der Ambivalenz zwischen der theoretischen Abwehr eines als pathologisch dekretierten inneren Sehens einerseits und der Faszination an der künstlerischen Produktivität subjektiver innerer Bilder andererseits geprägt ist. Diese Ambivalenz spiegelt sich in Goethes unterschiedlicher Handhabung von naturwissenschaftlicher Theorie und Literatur wider. In den sinnesphysiologischen Schriften, besonders in Das Sehen in subjektiver Hinsicht, zeigt sich Goethe wissenschaftlich auf der Höhe seiner Zeit, wenn er die zeitgenössische Debatte um die sogenannten ‚Phantastischen Gesichtserscheinungen’ aufgreift, die der Sinnesphysiologe Johannes Müller als innere, vom Gehirn endogen erzeugte Bilder an der Bewusstseinsgrenze zwischen Wachen und Schlaf beschrieben hat. Goethe erkennt das produktionsästhetische Potential dieser von der Spontaneität der Einbildungskraft und der Eigenlogik des Auges erzeugten inneren Bilder, empfindet deren tendenzielle Anarchie aber als Bedrohung, die er durch klassizistische Werturteile über die Unterscheidung von künstlerischer und dilettantischer Einbildungskraft einzudämmen versucht. Was theoretisch verurteilt wird, spielt gleichwohl in der Literatur eine zentrale Rolle. In den Wahlverwandtschaften wird eine Welt der Dilettanten beschrieben, in der die Grenzen zwischen inneren und äusseren Bildern, Phantasmen und Welt verwischt sind. Die produktive Macht endogener Bilder, der visionären Überblendung und des inneren Sehens bestimmt das Romangeschehen ausschließlich. Vorgeführt werden so die anthropologischen Risiken des Bildwesens Mensch. 6. Zoltán Szendi (Universität Pécs) AUFBRUCHS- UND EINSAMKEITSPATHOS IN DER LYRIK RAINER MARIA RILKES Zusammenfassung: In der poetischen Welt Rilkes hat das Motiv des Fremden, das das Erlebnis der Absonderung involviert, keine negative Konnotation, umgekehrt: es wird als eine vertiefte Daseinsform betrachtet. In der vorliegenden Untersuchung werden drei Stufen dieses (positiven) „Entfremdungsprozesses“ – anhand von drei Rilke- Gedichten – gedeutet. Im Gedicht Eingang, das eine Aufbruchsituation vergegenwärtigt, erscheinen schon manche Motive der Rilkeschen Lyrik der mittleren Periode: der produktive Zustand der Einsamkeit, die Geste der Selbstbefreiung und die tiefere Einsicht in die Dingwelt. Die radikale Umdeutung der biblischen Parabel, Der Auszug des verlorenen Sohnes, fokussiert ausschließlich auf das Moment des Ausscheidens, den autonomen Entschluss fortzugehen – zusammen mit ihren Gefahren und Perspektiven. Das Gedicht Der Fremde, zeigt – als dritte Stufe des Prozesses – die (erwählte) Situation, die Ankunft im Immer- Unterwegssein und lässt in dem ewig Fremden die eigentliche Existenzform des Menschen sehen. Denn der Fremde ist kein beziehungsloser Mensch, nicht einmal ein endgültig ausgeschiedener, sondern derjenige, der seine Heimat nicht nur unter den Menschen, sondern auch in der kosmischen Welt, „unter den Sternen“ sucht. 7. Svjetlan Lacko Vidulić (Universität Zagreb): EROTISCHER IMPRESSIONISMUS UND SERIELLE MONOGAMIE. Zur literarischen Kodierung der Liebe um 1900 und um 2000. Zusammenfassung: Ausgehend von der These von dem antizipativen Potenzial der Wiener Moderne im Hinblick auf ästhetische, soziale u.a. Entwicklungen im 20. Jahrhundert, wird in dem Beitrag ein historischer Vergleich zwischen der literarischen Kodierung der Liebe bei Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal und den Tendenzen in der Literatur der Gegenwart unternommen. Den Parallelen zwischen den divergenten literarischen Korpora, die von der Neuauflage des erotischen Impressionismus bis zum musealen Umgang mit der liebessemantischen Tradition reichen, stehen gewichtige historische Differenzen und Diskontinuitäten gegenüber. 8. Sven Hanuschek (Ludwig-Maximilians-Universität München): VOM STOSSTRUPP ZUR LITERATURBÖRSE. Die „Gruppe 47“ und ihr Umgang mit Exil und deutscher Vergangenheit. Zusammenfassung: Der Beitrag bewertet die misslungenen Auftritte von Albert Vigoleis Thelen und Paul Celan vor dem Hintergrund der dynamischen Entwicklung der ‚Gruppe 47’. In der Tat haben Richter und seine Freunde Schwierigkeiten mit der Integration von Emigranten gehabt, was auch am schwierigen Verhältnis zum P.E.N. sichtbar wird. Dem Antisemitismus-Verdikt gegen die Gruppe wird nicht zugestimmt. Als Beispiel eines gelungenen, haltbaren Werks über die jüngere deutsche Vergangenheit wird gegen die üblichen literaturgeschichtlichen Kanonisierungen Wolfgang Hildesheimers Tynset (1965) vorgestellt. 9. Günter Schnitzler (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau): INTERMEDIALITÄT UND PARADOXIE. Mozarts „Don Giovanni“. Zusammenfassung: In den Bereichen der Musik, des Librettos und der Szene, aber auch im je unterschiedlichen Zusammenspiel dieser Medien offenbart sich in der ´Oper aller Opern´, in Mozarts „Don Giovanni“, eine Grundstruktur des Paradoxen, und zwar derart intensiv und ausgreifend, dass die dynamisch wirkende Anwesenheit der unaufgelösten und unauflösbaren Widersprüche als ein Grundprinzip der Oper erkennbar wird: Dies wird – natürlich neben dem Einfallsreichtum im Melodischen, Rhythmischen und Harmonischen – zur möglicherweise wichtigsten Begründung für die unerreichbare Qualität dieser Oper. Mozart hat diese Grundstruktur des Paradoxen eigentlich selbst dadurch offen gelegt, dass er seinem Werk den Gattungstitel „dramma giocoso“ gab, und damit der Oper eine „unmögliche Synthese“ als prägende Überschrift zuordnete. 10. Klaus Zelewitz (Universität Salzburg / Novi Vinodolski): VERSTUMMEN DER STIMMEN, VORMARSCH DER BILDER? Kommentare zur medialen Entwicklung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Zusammenfassung: Jacques Derridas Feststellung, die christlich-abendländische Kultur sei anders als etwa die fernöstlichen Hochkulturen logozentrisch und im engeren Sinn phonozentrisch, wird an der neuzeitlichen Praxis eben dieser Kultur überprüft. Nach Anfängen im Mittelalter im Verlauf des 19. und dann ganz besonders des 20. Jahrhunderts hat synchron zur technischen Entwicklung (theatralische Lichttechnik, Photographie, Film, Fernsehen, Internet) die Bedeutung visueller bzw. komplexer Zeichen auch in der abendländischen Kultur dramatisch zugenommen. Es muss daher als Ergebnis festgehalten werden, dass Derrida zu einseitig auf die Wortsprache (Schrift und vor allem Stimme) fixiert zu sein scheint und die starke, immer dominanter werdende Funktion von visuellen bzw. komplexen Zeichen auch und besonders in der abendländischen Kultur zu wenig berücksichtigt. 11. Željko Uvanović (Josip-Juraj-Strossmayer- Universität Osijek): DEUTSCHE LITERATURWISSENSCHAFT, LITERATURVERFILMUNGEN UND ADAPTATION STUDIES. Zusammenfassung: Im internationalen Kontext betrachtet sollten adaptation studies (im Sinne intermedialer Adaptionsforschung) nicht mehr ignoriert werden. Im Bereich der Beziehungen zwischen Literatur und anderen Künsten ragen in unserer postmodernen, dominant (audio)visuellen Kultur insbesondere die Beziehungen zwischen Literatur und Film hervor. Während sich aber der Literaturbetrieb von der fruchtbaren Interaktion mit der Filmwelt nicht verschließt, scheint die institutionelle Literaturwissenschaft in einigen Nationalphilologien von ihrem Elfenbeinturm auf Erforschung von Literaturverfilmungen herabzusehen und verpasst somit die Chance, am Dialog über die internationale filmische Popularisierung der eigenen bzw. der fremden Kultur teilzunehmen. Deutsche Philologie in nichtdeutschsprachigen Ländern (also nicht auf DaF reduziert!) sollte ihre eventuellen Reserven zurücknehmen und zu Zwecken einer wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung mit deutschen Literaturverfilmungen sich interdisziplinär das Analysearsenal der Filmwissenschaft aneignen. 12. Marijana Erstić (Universität Siegen): DIE VENUS IST EIN KNABE Die viscontianische Inszenierung einer Pathosformel in der Literaturverfilmung Morte a Venezia. Zusammenfassung: Im Aufsatz werden die Hybridisierungen und Überschneidungen, aber auch die Unterschiede und Konflikte zwischen der Novelle Thomas Manns Der Tod in Venedig und der Literaturverfilmung Morte a Venezia Luchino Viscontis analysiert. Die Hauptthese des Aufsatzes lautet, dass Visconti mit der Figur Tadzios nicht nur einen Hermes in Szene setzte, sondern den Knaben als einen Amor aber auch als eine Venus inszenierte. Die Venus ist ein Knabe – den bild- und filmwissenschaftlichen Aspekten dieser Umkodierung wird in dem Beitrag anhand einzelner ausgesuchter Szenen und anhand des bildwissenschaftlichen Konzeptes von Aby Moritz Warburg nachgegangen. 13. Slavija Kabić (Universität Zadar): Intertextualität und Intermedialität im literarischen Schaffen von Marie Luise Kaschnitz. Zusammenfassung: Die deutsche Schriftstellerin Marie Luise Kaschnitz (1901-1974) hat den gleichen Stoff (Heimkehr des Vaters aus dem Krieg, ihre traumatische Kindheit, sie als Braut, Geliebte und Ehefrau) oft als Subtext in zwei literarischen Arten, z. B. als Gedicht und Geschichte, gestaltet. Auch die Bilder bekannter Maler (Picassos „Katze mit Vogel“, Kokoschkas „Die Windsbraut“) haben Kaschnitz veranlasst, ihre Reflexionen und Assoziationen in ein lyrisches Gedicht und eine oft autobiografisch gefärbte Geschichte zu verwandeln. Manchmal gingen aus einem Subtext drei unterschiedliche Prosawerke hervor. Kaschnitz bediente sich dieser intertextuellen bzw. interliterarischen und intermedialen Methode auf zweierlei Art und Weise: Sie hat ein Thema unmittelbar nach dem Ereignis/Erlebnis (z. B. Heimkehr des Vaters aus dem Krieg, Aufenthalt der Liebenden am Cap Circeo) in verschiedenen literarischen Genres verarbeitet, bei einem anderen Thema verliefen zwischen dem Ereignis und der Realisation in zwei neuen Formen mehrere Jahrzehnte. Der Schluss liegt nahe, dass die Themen und Motive, derer sich die Lyrikerin und Erzählerin Kaschnitz auf diese Art und Weise annahm, für sie lebenswichtig und von großer Bedeutung waren. 14. Milka Car (Universität Zagreb): „So sah keiner von uns alles“. Alexander Kluges ‘Schlachtbeschreibung’ oder Kann eine Weltkriegsschlacht literarisch dargestellt werden? Zusammenfassung: Das grundlegende Thema des Textes Schlachtbeschreibung von Alexander Kluge ist die Darstellung der Kriegserfahrung in seiner Beschreibung der Schlacht von Stalingrad. Angesichts der Überfülle des dokumentarischen Materials, das hier quasi als Hauptfigur des Textes fungiert, müssen folgende Fragen gestellt werden – kann der dokumentarische Roman die Authentizität im Sinne der Reproduktion historischer Wahrheit erreichen und ist ein historisches Geschehen wie Stalingradschlacht überhaupt literarisch darstellbar? Der Autor erzählt diese Geschichte mit der Absicht, die unfassbare Realität von Stalingrad dem Rezipienten fassbar zu machen, indem Geschichte und ihre sinnliche Aufarbeitung miteinander konfrontiert werden. Im Vorwort zur Schlachtbeschreibung unter dem Titel Nachricht thematisiert Kluge die Möglichkeit der Wahrnehmung einer solchen historischen Katastrophe und kommt dabei zu einem erkenntniskritischen Schluss, der in dieser Arbeit einer diskurstheoretischen und narratologischen Analyse unterworfen werden soll. 15. Mira Miladinović Zalaznik (Universität Ljubljana): „DIE DEUTSCHE SPRACHE WIRD HIER IN SANFTEM, GUTMÜTHIGEN AKZENTE FAST UNVERSTÄNDLICH GESPROCHEN.“ Adolf Ritter von Tschabuschnigg auf seiner Schweizer Reise. Zusammenfassung: Die Autorin berichtet in ihrem Beitrag über den Kärntner Autor, Juristen und Politiker Adolf Ritter von Tschabuschnigg (1809–1877) als Beiträger des ersten Laibacher belletristischen Journals Carniolia. Im Essay wird kurz auf das Leben von Tschabuschnigg eingegangen und auf sein Verhältnis zur Frage der Slawen in der Habsburger Monarchie. Den größten Teil ihrer Ausführungen nehmen Tschabuschniggs Schweizer Reisen ein, die sich in so manchem von jenen der großen deutschen Klassiker unterscheiden. 16. Ivica Petrović (Universität Mostar): DIE ERFAHRUNG UND VERMITTLUNG DER KULTUREN ORIENTS IN DEN REISEBERICHTEN DES ANTON PROKESCH VON OSTEN. Zusammenfassung: Die in diesem Beitrag besprochenen Reiseberichte des Österreichers Anton Prokesch von Osten entstanden während seines mehrjährigen Aufenthalts und Reisens im Osmanischen Reich, Griechenland, Ägypten und Palästina zwischen 1824 und 1830. Außerdem war er von 1834 bis 1848 habsburgischer Diplomat in Griechenland und von 1855 bis 1871 Internuntius in Konstantinopel, verbrachte somit fast vier Jahrzehnte seines Lebens in der Levante. Als Persönlichkeit mit großer Erfahrung, die in sich alle Bestimmungen des geistigen und politischen Lebens Mittel- und Südosteuropas vereinigte, hatte Prokesch unmittelbare Einsicht in die Ereignisse im Osmanischen Reich, aber auch in die politischen Prozesse in westlichen Ländern, besonders in Österreich und im Deutschen Reich, da er seit 1849 als Gesandter in Berlin und seit 1853 als Bundespräsidialgesandter in Frankfurt am Main war. Seine Vermittlerrolle zwischen Europa und dem Orient dokumentierte Prokesch in seinen Reiseberichten, Tausenden von Briefen, Zeitungsartikeln, Monographien und anderen Beiträgen. Diese Arbeiten vervollständigen das Bild über seine Überzeugungen und Weltansichten und stellen wichtige Dokumente und Informationen über bedeutende Persönlichkeiten und die Zeit in der er lebte dar. Außerdem sind seine Reiseberichte wichtige Quelle für verschiedene Geistes- und Naturwissenschaften, in welchen er die Natur, Städte, Völker, Sitten und Bräuche, archäologische Stätten, Kultursehenswürdigkeiten und viele andere interessante Details beschrieb, so dass er eine wichtige Rolle in den Beziehungen zwischen Europa und dem Orient im 19. Jahrhundert spielte. In diesem Beitrag liegt der Akzent auf Kulturpräferenzen und -bildern, die sich in seinen Reiseberichten über verschiedene Regionen im Osten widerspiegeln. 17. Josip Babić (Josip-Juraj-Strossmayer- Universität Osijek): ÜBERLEGUNGEN ZUR KROATISCHEN REZEPTION GOETHES UND SCHILLERS. Zusammenfassung: Im Beitrag werden Probleme der kroatischen Schiller- und Goetherezeption behandelt. Analysiert werden zunächst die Theateraufführungen und Übersetzungsschwierigkeiten. Danach werden die so genannte „produktive Rezeption“ und die Literaturvermittlung im Deutschunterricht behandelt. Nebst einem Umriss der Rezeptionsgeschichte und einer Liste mit den Daten über die Aufführungen der Schillerschen Stücke, werden einige Beispiele der kreativen Auseinandersetzung mit Schiller dargestellt. Der Verfasser setzt sich außerdem für eine stärkere Berücksichtigung der (klassischen) Literatur im Deutschunterricht ein. 18. Stephanie Jug / Sonja Novak (Josip-Juraj- Strossmayer-Universität Osijek): DAS DEUTSCHSPRACHIGE THEATERREPERTOIRE IM SCHLOSS VALPOVO. Zusammenfassung: Nach Untersuchung der Sammlung des Grafen Rudolf Normann Ehrenfels aus dem Schloss Normann-Prandau in Valpovo wurde festgestellt, dass es dort im 19. Jh. ein Schlosstheater gab. Man hat auch festgestellt, dass auf dem Spielplan meistens Texte von Autoren aus dem deutschsprachigen Gebiet standen, und dass Werke auch auf Deutsch geschrieben und aufgeführt wurden. Das Theater diente in diesem Falle als Ort des kulturellen Austausches und interkultureller Beziehungen zwischen Kroatien und den Ländern des deutschsprachigen Gebiets. Der folgende Beitrag bezieht sich auf das im Museum von Slawonien aufbewahrte Repertoire des Schlosstheaters Valpovo im Kontext des deutschsprachigen Theaters am Ende des 18. und im 19. Jahrhundert. Es wird erörtert, was angeblich im Schlosstheater aufgeführt wurde, indem der Schwerpunkt auf Gattungen, Autoren und konkreten Werken auf ihrem Wanderweg zum Spielplan in Valpovo liegt. 19. Rada Stakić (Universität Banja Luka): ÜBERSETZUNGSREZEPTION DER DEUTSCHEN LITERATUR IN DER BOSNISCHEN LITERATURZEITSCHRIFT „BOSANSKA VILA“ (1885-1914). Zusammenfassung: Die Zeit, in welcher die Zeitschrift „Bosanska vila“ veröffentlicht wurde, kann man als Beginn der modernen Literatur in Bosnien und Herzegowina bezeichnen. Wenn man die Gesamtheit der aus dem Deutschen ins Bosnische übersetzten Werke in Betracht nimmt, wird es offensichtlich, dass es durchaus an einem einheitlichen Plan und einer einheitlichen Strategie bei der Auswahl von Werken und Autoren fehlte. Auch das Ausmaß der veröffentlichten Übersetzungen variiert. Es gibt Zeitperioden, in denen keine Übersetzungen der deutschen Literatur zu finden sind, aber auch Zeiten, in denen sie als dominant erscheinen. Angesichts all dieser Zufälligkeit und Spontanität hinsichtlich der Übersetzungstätigkeit – die meisten der Übersetzungen entstanden durch die Eigeninitiative der Übersetzer/Innen – zeugt das Verzeichnis von übersetzten Autoren/Innen davon, dass man ein relativ gutes Gefühl für die Werke der deutschen Literatur hatte. Die Übersetzungen sowohl der deutschen, als auch der anderen Literaturen widerspiegeln die Absicht der damaligen bosnischen Literaturkräfte, das Gebiet von Bosnien und Herzegowina nach jahrhundertelanger Isolation von kulturellen Strömungen der sog. entwickelten Welt möglichst bald in diese einzuschließen. In der ersten Zeitperiode der Zeitschrift (1885-1907) sind überwiegend Prosawerke (Novellen, Erzählungen, Anekdoten) vorhanden. Es gibt Autoren, deren Namen aus heutigen Literaturgeschichten verschwunden sind, es sind aber auch bekannte Namen zu finden: Goethe, Schiller, Heine, Anzengruber ; Polenz, Sacher-Masoch, Wildenbruch u.a. Die Motive und Figuren entstammen meistens dem städtischen Milieu und dadurch entstand eine echte Horizonterweiterung für das damalige Lesepublikum. In der zweiten Zeitperiode von „Bosanska vila“ (1908-1914) werden die gegenwärtigen deutschen Lyriker der Moderne entdeckt: Liliencron, Holz, Mombert, Dehmel, Dauthendey, Morgenstern, Martens, Hofmannsthal… ; auch Nietzsche beeinflusste die neue, junge Generation der Mitarbeiter/Innen. Dank diesen ersten Übersetzer/Innen kam – wenn auch in einem begrenzten Umfang – die deutsche Literatur zum bosnisch-herzegowinischen Lesepublikum, brachte neue Impulse, öffnete neue Horizonte, auch wenn viele Übersetzungen durch gewissen Amateurismus und mangelnde Deutschkenntnisse gekennzeichnet sind. 20. Jasmina Zlatarević (Universität Bihać): BOSNISCHE GROTESKE VON VIKTOR TAUSK IM INTERKULTURELLEN RAHMEN DER LITERATUR DER JAHRHUNDERTWENDE . Zusammenfassung: Zahlreiche Reisende, die Bosnien zufällig oder absichtlich besucht haben, waren in dem Ausmaß von diesem Land inspiriert, dass ihre bosnischen Impressionen später ihren Epilog in Form von Reisebeschreibungen, Erzählungen, Novellen, Gedichte, Romane fanden. Das gilt vor allem für die österreichisch-ungarische Zeit und für diejenigen österreichischen Offiziere, die ihren Aufenthalt in Bosnien gleichzeitig für ihre mehr oder weniger gelungenen literarischen Versuche genutzt haben. Diesem Kreis gehörte auch Viktor Tausk an, der das Schicksal von anderen Wiener Intelektuellen um die Jahrhundertwende teilte, da er gleichzeitig als Journalist, Schriftsteller, Jurist und Arzt tätig war. Auf diese Weise entstand auch die Novelle Husein Brko. Eine bosnische Zigeunergroteske, wo einerseits sehr erfolgreich diese bosnische Dimension hervorgehoben wird, andererseits aber bot Viktor Tausk mit dieser Novelle eine Vielfalt an möglichen literarischen Interpretationen an. Die Helden sind entweder humorvolle Karikaturen oder furchterregende Dämonen. In der Groteske ist die Welt der Realität meist sehr schwer zu erkennen, diese Grenzen sind oft überschritten. Der Leser wird in die Sphäre des Mystischen und Phantastischen hineinversetzt. Die Hauptfigur in dieser Novelle stellt eine hervorragende Grundlage sowohl für literarische als auch für psychoanalytische „Zerlegungen“ dar. Dank dieser Analyse gelangte man zu äußerst unüblichen und interessanten Überlegungen. Husein Brko wurde auch in diesen expressionistischen Rahmen eingesetzt, die Figurenanalyse wurde schrittweise durchgeführt, jedes Kapitel einzeln, mit entsprechenden Motiven. Neben der literarischen bediente sich dieser Diskurs auch jener formalen Interpretation. Es wurde erläutert, in welchem Ausmaß Tausks Husein Brko eine Novelle ist, bzw. was man in diesem Werk nicht als novellistisch bezeichnen kann. 21. Mira Đorđević (Universität Sarajevo): AUF DER SUCHE NACH DER GEISTIGEN HEIMAT. Heinrich Eduard Jacob und Max Brod – unveröffentlichte Briefe aus dem Exil (1936-1967). Zusammenfassung: Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen der kritischen Sichtung und Bearbeitung des literarischen Nachlasses des beinahe vergessenen deutsch-jüdischen Schriftstellers Heinrich Eduard Jacob, dessen Werk und Schriften im Deutschen Literaturarchiv in Marbach zugänglich sind. Das Thema ist Jacobs jahrelanger (1936-1967) Briefwechsel mit Max Brod, während beide sich als Emigranten in weit auseinander liegenden Teilen der Welt befanden (New York/Tel Aviv). Sowohl das ähnliche Schicksal der Verfolgung, des Schreibverbots und der Vernichtung ihrer Bücher, als auch die langjährige Abgeschiedenheit und Trennung von ihren Heimatländern, bilden einen traurigen Hintergrund dieses Briefwechsels, der aber zugleich als ein kostbares Zeugnis über poetologische und ideologische Entwicklung ihrer literarischen Tätigkeit zu betrachten ist. Der Inhalt der Briefe umfasst mehrere Bereiche: Literatur, Theaterkunst, Musik, Heimat und Exil, und nicht zuletzt die ewige Gegenüberstellung von Leben und Tod. In sämtlichen Briefen Jacobs kommt seine Bewunderung und Ehrfurcht vor dem viel berühmteren und literarisch kompetenteren Max Brod zum Ausdruck. 22. Marijan Bobinac (Universität Zagreb): „INS EXOTISCHE […] UND DOCH NICHT ZU WEIT WEG“. Zum Kroaten- und Kroatienbild in der deutschsprachigen Literatur bei Doderer und vor ihm. Zusammenfassung: Der Verfasser, von seinen früheren Forschungen ausgehend, fasst zunächst die häufigste Ausprägung des Kroatenbildes in der deutschsprachigen Literatur kurz zusammen, wonach die Kroaten v. a. als kriegerisch-kriminelle Menschen thematisiert werden. Diese, der Tradition Grimmelshausens und Schillers verpflichtete Kroateninszenierung erfährt bei vielen Autoren des 20. Jahrhunderts neue Dimensionen, was insbesondere für Heimito von Doderer gilt, dessen letzter Roman Die Wasserfälle von Slunj (1963) sogar einen kroatischen Toponym in seinem Titel trägt. Der Umstand aber, dass die Herrschaftsverhältnisse bei Doderer im Einklang mit jenen tatsächlichen der Habsburger Monarchie unkritisch evoziert werden, verweist darauf, dass das ‚Andere’ hier durchaus im Einklang mit vorgeprägten kulturellen Stereotypen positioniert wird. Im positiven Kroatien- und Kroatenbild zeigen sich daher Brüche: die Landschaften werden durch ihre hohe Ästhetisierung, die Menschen wiederum durch ihr Abhängigkeitsverhältnis zur dominanten Kultur definiert. Indem jedoch die Superiorität der wienzentrierten Figuren in vielerlei Hinsicht in Frage gestellt wird, indem diese Figuren in all ihrer existenziellen Beziehungslosigkeit vorgeführt werden, werden auch ihre Defizite gegenüber den Menschen von den Peripherien der k.u.k.-Monarchie sichtbar. Der Herrschaftsdiskurs, der sich aus der Figurenkonstellation des Romans unschwer ableiten lässt, wird somit relativiert. 23. Jindra Dubová (Universität Pardubice): BERNHARD SETZWEIN – EIN GRENZGÄNGER. Zusammenfassung: Bernhard Setzwein gehört heutzutage zu den bekanntesten bayerischen Autoren. Dieser gebürtige Münchner siedelte im Jahre 1990 nach Waldmünchen (Oberpfalz, Bayern) um, das so nah an der bayerisch-tschechischen Peripherie liegt, dass der Autor aus dem Fenster seines Arbeitszimmers bereits die böhmischen Grenzberge sieht. Nicht nur, dass er in seinen Werken die Grenze mehrmals überschreitet, er versucht auch mit seinen Büchern immer neue Trennlinien zu überwinden, wozu er seinen für ihn typischen Schreibstil verwendet, der hier an einigen Beispielen aus seinen Werken illustriert wird. Dieser Beitrag will Bernhard Setzwein als einen europäischen literarischen Grenzgänger vorstellen und beschäftigt sich außerdem mit seiner Rezeption der tschechischen Literatur.

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Urednik

Željko Uvanović

Izdavač

Mjesto izdavanja

Godina izdavanja

Broj stranica

446

Znanstveno polje

ISBN

978-953-314-014-8